Feuerwehrmann, Arzt, Tierpfleger, Schauspieler oder Glockensachverständiger. So ganz scheint der letzte, sperrig klingende Jobtitel nicht in die Reihe potenzieller Traumberufe zu passen. Wir sind uns sehr sicher, dass nicht nur Norbert Jachtmann zu Kindheitszeiten nicht wusste, dass es Glockensachverständige überhaupt gibt, sondern auch heute noch die meisten Menschen nichts von der Existenz dieses außergewöhnlichen Berufs ahnen. Kein Wunder, denn Glockensachverständige gibt es so wenige in der Region, dass Jachtmann nicht nur für das Bistum Aachen, sondern gleich für die beiden Nachbarbistümer Essen und Köln mitverantwortlich ist. Als freiberuflicher Sachverständiger für Glocken betreut er rund 4.500 Kirchtürme. Für unsere monatliche Reihe „Wie wird man eigentlich…“ hat uns der Krefelder mit auf seine berufliche Reise genommen.
Was genau macht aber denn nun ein Glockensachverständiger? Jachtmann könnte darüber stundenlang erzählen, denn die Aufgabenbereiche sind vielfältig. Der Glockensachverständige kommt zum Beispiel zum Einsatz, wenn eine neue Glocke angefertigt werden soll. Gemeinsam mit der Gemeinde und dem Gießer bespricht er die Anfertigung und den gewünschten Klang. Ist die Glocke irgendwann montiert, prüft er nicht nur die Glocke, sondern auch zum Beispiel den Glockenstuhl, die Schallläden – das ist die Holzkonstruktion in den Fensteröffnungen von Glockentürmen, die zur besseren Schalllenkung dient –, den Klöppel, die Motoren und den Läutewinkel. „Läutewinkel sind die Ausschlagwinkel der Glocken beim Läuten. Die Läutefrequenz kann mit der Turmfrequenz unangenehm korrelieren, sodass es zu Resonanzereignissen kommt und Bauwerksschäden entstehen“, erklärt er. „Ich übernehme sozusagen die abschließende Qualitätskontrolle.“
Gleichzeitig fungiert Jachtmann aber auch als Ansprechpartner für Wartungen und Instandhaltung in den Bistümern. Was viele Kirchenvorstände nicht wissen: Auch wenn sie ehrenamtlich tätig sind, können sie haftbar gemacht werden, wenn in ihrer Gemeinde eine Glocke beispielsweise abstürzt oder der Brandschutz in Glockentürmen nicht gewährleistet ist. „Dass ich von den Pfarren und nicht von den Bistümern beauftragt werde, führt dazu, dass manche Missstände zu spät entdeckt werden“, schildert der Experte. „Ich würde mir wünschen, dass mehr Gemeinden den Turm regelmäßig durch mich prüfen lassen oder einen Wartungsdienst konsultieren.“ Denn mit den Jahren können Holzbalken, an denen die Glocke befestigt ist, morsch werden, Stahlteile durchrosten, falsche Läutewinkel den Turm aufschaukeln, Blitzschutzanlagen in die Jahre gekommen sein oder Gesundheitsgefahren durch zum Beispiel Tierexkremente entstehen. Deswegen ist Jachtmann unter anderem einmal im Jahr Teil eines Teams, das die Glocken im Kölner Dom überprüft. Alle zwei Jahre besucht er auch die Glockentürme im Aachener Dom.
Darüber hinaus bietet Jachtmann Fortbildungen an. Denn, so ist er sich sicher, viele Gemeinden wissen nicht, wie vielfältig auch ihre Geläute klingen könnten. Der Glockensachverständige informiert dann nicht nur über Sicherheitsaspekte und die Technik der Glocken, sondern auch über die Möglichkeiten einer differenzierten Läuteordnung im Hinblick auf die unterschiedlichen Feste im Kirchenjahr.
Und dann gibt es noch die außergewöhnlichen Spezialfälle, für die der hauptamtliche Kantor immer mal wieder gebucht wird. Einige davon fanden in den letzten Jahren etwa im Braunkohlerevier statt. Werden hier Kirchen, wie die in Immerath, abgerissen und bestenfalls an andere Standorte verlagert, wird Jachtmann beauftragt, den Umzug der Glocken zu begleiten. Im neuen Kirchturm sorgt er dann dafür, dass der alte, gewohnte Klang der Glocken auch hier ertönt. „Das Läuten der Glocken“, betont er schmunzelnd, „vermittelt auch heute noch vielen Menschen ein Gefühl von Heimat.“